Die Autorin und Beziehungsexpertin Vivian Dittmar weiß aus eigener, schmerzhafter Erfahrung: Gelingende Beziehungen sind kein Zufall. Sie sind eine Frage unserer Beziehungskompetenz.
Und die ist erlernbar.
Eine erfüllte Beziehung
Eine erfüllte Beziehung – wer möchte das nicht? Oftmals ist es dahin aber ein Weg voller Wachstum und auch Schmerzen. Fokussiert auf den anderen (1.0), fokussiert auf sich selbst (2.0) oder die Integration beider Ebenen (3.0)? Die Autorin gibt einen kleinen Orientierungsfaden im Dschungel der Beziehungsebenen.
Es gibt diesen Moment, in dem ich einfach nur noch zurückschreien will. Doch ich reiße mich zusammen. Es ist doch meine Schuld, wenn ich immer so empfindlich bin! Das kommt von meinem Vater, wenn der früher geschrien hat, dann habe ich mich auch schon immer so erschreckt. Ich muss nur endlich diese Therapie beantragen!
Viele Menschen, die an persönlicher Entwicklung interessiert sind, verharren lange in Beziehungen, die nicht gut für sie oder für ihre Partner sind. Aus Angst, vor etwas davonzulaufen, sich etwas nicht ansehen zu wollen oder die eigenen Muster in die nächste Partnerschaft mitzunehmen, wird ausgehalten, durchgestanden, sich alles zugemutet. Die Qual wird irgendwann zur Normalität, im Namen der Bewusstheit, der Wachheit, der inneren Arbeit wird dem Leiden der Anstrich von Sinnhaftigkeit verliehen. Doch ist es das wirklich? Brauchen wir die ewige Konfrontation, die schmerzhafte Auseinandersetzung mit unseren Schatten, um … ja, um was eigentlich? Um endlich zu erreichen, dass uns das alles nichts mehr ausmacht? Um zu besseren Menschen zu werden?
Das Gegenteil davon haben wohl die meisten auch schon versucht: auf den Prinzen auf dem weißen Ross warten, den Menschen, der uns alle Wünsche von den Lippen abliest. Es ist so verführerisch, sich von den Versprechungen der Verliebtheits-Hormone davontragen zu lassen: »Das muss sie sein! Nun ist es perfekt, alles ist so schön! Und was nicht ist, kann ja noch werden!«
Tja, und wenn beides nicht funktioniert? Nicht die Hoffnung aufgeben! In meiner Beobachtung handelt es sich bei den beschriebenen Phänomenen um zwei Arten von Beziehung, die ich kurz mit »Beziehung 2.0« und »Beziehung 1.0« beschreibe. Ich werde sie im Folgenden genauer beschreiben und auch eine »Beziehung 3.0« vorstellen. Alle drei Beziehungen oder Stadien habe ich bei mir und anderen beobachtet. Ich sage Stadien, denn häufig scheinen diese tatsächlich aufeinander zu folgen, ein Stadium scheint sich aus dem vorhergehenden zu entwickeln. Bei mir war das so. Doch genauso könnte ich es auch drei Arten der Partnerwahl nennen, denn nicht zwangsläufig entwickelt sich die eine zur anderen in linearer Abfolge. Ich sehe Sprünge, ich sehe Menschen, die ihr Leben lang nur eine Art der Partnerwahl praktizieren und ich sehe Menschen, die nach einer Partnerwahl 3.0 eine Partnerwahl 2.0 oder 1.0 wählen.
Gegen all das habe ich nichts einzuwenden. Jede Art der Partnerwahl hat ihre Berechtigung, ihre Geschenke und auch ihre ganz eigene Schönheit. Wie so oft beobachte ich jedoch, dass mangelnde Unterscheidung zu Verwirrung und Unklarheit führt, wodurch Menschen in Beziehungen ausharren, die ihnen nicht gut tun und keine Ahnung haben, dass sie auch andere Beziehungen wählen könnten. Hier möchte ich Abhilfe schaffen, indem ich die drei Arten der Partnerwahl beschreibe und gleichwertig nebeneinander stelle – auch wenn es mir wohl kaum gelingen wird, meine eigene Vorliebe für 3.0 zu verheimlichen, aber das muss ich ja auch nicht. Doch beginnen wir am Anfang.
Beziehung 1.0 – Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt
Dies ist wohl die unschuldigste und damit zunächst auch einfachste Form der Beziehung. Für viele Menschen ist sie daher die erste Station auf der Reise in die Zweisamkeit. In diesem Stadium wählen wir einen Partner so aus, wie wir ihn oder sie haben wollen. Zumindest ist das die Grundidee. Entspricht jemand nicht unseren Vorstellungen, wird er gleich mal aussortiert und wir suchen weiter nach jemandem, der näher an unser Bild herankommt. Dating-Apps beispielsweise funktionieren nach diesem Prinzip.
Fester Bestandteil der Beziehung 1.0 ist immer auch das Optimierungspotenzial, das wir bewusst oder unbewusst mit einkalkulieren. Das bedeutet, dass wir ganz klar davon ausgehen, dass das, was noch nicht ist, ja durchaus noch werden kann. Wir starten also mit jemandem, der so nah wie möglich an unser Ideal heranreicht und gehen davon aus, dass diese Übereinstimmung durch verschiedene Maßnahmen noch gesteigert werden kann – Haare färben, Sport machen, Persönlichkeitsentwicklungsseminare besuchen etc. Liebe bedeutet hier, sich den Vorstellungen des anderen soweit wie möglich anzupassen, um eine möglichst optimale Bedürfniserfüllung zu gewährleisten. […]
Lesen Sie den kompletten Artikel in der Tattva Viveka 66.
In Vivian Dittmars Buch Beziehungsweise, herausgegeben von edition est, können Sie diese und noch viele weitere inspirierende Inhalte zum Thema nachlesen.